Grundbesitzwert: Leitfaden zur steuerlichen Immobilienbewertung
Ein Erbe oder eine Schenkung von Immobilien bringt nicht nur emotionale, sondern auch erhebliche steuerliche Herausforderungen mit sich. Wenn das Finanzamt den Grundbesitzwert Ihrer Immobilie ermittelt, liegt dieser häufig deutlich über dem tatsächlichen Marktwert, was zu entsprechend höheren Erbschaftssteuern führt. Die gute Nachricht: Sie sind dieser Bewertung nicht schutzlos ausgeliefert. Mit fundiertem Wissen über die Bewertungsverfahren und einem strategischen Vorgehen können Sie erhebliche Steuervorteile erzielen.
Grundbesitzwert: Definition und Bedeutung für Erben und Beschenkte
Der Grundbesitzwert bildet die zentrale Säule der steuerlichen Immobilienbewertung in Deutschland. Er bestimmt maßgeblich die Höhe der Erbschafts- und Schenkungssteuer und kann somit erhebliche finanzielle Auswirkungen haben.
Was ist der Grundbesitzwert?
Der Grundbesitzwert für Zwecke der Erbschaftsteuer repräsentiert den steuerrechtlichen Wert einer Immobilie zum Zeitpunkt der Übertragung. Im Gegensatz zu anderen Transaktionen wird hierbei nicht der tatsächlich gezahlte Kaufpreis herangezogen, sondern ein nach dem Bewertungsgesetz (BewG) ermittelter Wert. Diese Bewertung erfolgt stichtagsbezogen, d. h., entscheidend ist der Wert am Tag der Erbschaft oder Schenkung. Dabei spielt es keine Rolle, wann die Immobilie ursprünglich erworben wurde oder welcher Preis damals gezahlt wurde.
Rechtliche Grundlagen und Anwendungsbereiche
Das Bewertungsgesetz (BewG) bildet die rechtliche Grundlage für die Feststellung des Grundbesitzwerts. Die Vorschriften sind bundesweit einheitlich anwendbar und gewährleisten theoretisch eine gleichmäßige Besteuerung. Der Grundbesitzwert bei der Erbschaftsteuer kommt zur Anwendung bei:
- Erbschaften von Immobilien aller Art
- Schenkungen von Grundstücken und Gebäuden
- Übertragungen von Erbbaurechten
- Betriebsimmobilien im Rahmen der Unternehmensnachfolge
Unterschied zwischen Grundbesitzwert und Marktwert
Ein häufiger Irrtum besteht in der Gleichsetzung des steuerlichen Grundbesitzwerts mit dem tatsächlichen Marktwert. Letzterer orientiert sich an realen Verkaufspreisen vergleichbarer Objekte und berücksichtigt alle wertrelevanten Faktoren einer Immobilie. Der steuerliche Wert wird dagegen nach standardisierten Verfahren ohne Ortsbesichtigung ermittelt. Besonderheiten wie Baumängel, ungünstige Grundrisse oder marktspezifische Faktoren bleiben dabei unberücksichtigt.
Feststellungsbescheid zum Grundbesitzwert: Ablauf und Inhalt
Die Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts ist ein mehrstufiger Prozess, der präzises Vorgehen erfordert. Das Verständnis der Abläufe ist maßgeblich für eine erfolgreiche Bearbeitung.
Automatische Aufforderung durch das Finanzamt
Sie müssen nicht selbst aktiv werden – das Finanzamt sendet Ihnen automatisch das Formular zur Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer zu. Dies geschieht üblicherweise einige Wochen nach Kenntnis der Erbschaft oder Schenkung. Die Aufforderung zur Abgabe erfolgt nur in Fällen, in denen eine steuerliche Relevanz vermutet wird. Kleine Vermögenswerte unterhalb der Freibeträge bleiben oft unberücksichtigt.
Pflichtangaben im Feststellungsbescheid
Der Feststellungsbescheid muss nach § 151 Abs. 2 BewG folgende Mindestangaben enthalten:
- Art der wirtschaftlichen Einheit: Klassifizierung als bebautes/unbebautes Grundstück, Geschäfts- oder Wohnimmobilie
- Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit: Eindeutige Bestimmung der Eigentumsverhältnisse nach der Übertragung
- Bewertungsstichtag: Datum der Erbschaft oder Schenkung
- Angewendetes Bewertungsverfahren: Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren
Fristen und rechtliche Verpflichtungen
Die Feststellungsfrist für den Grundbesitzwert beträgt üblicherweise einen Monat nach Erhalt der Aufforderung. Eine Fristverlängerung ist auf begründeten Antrag möglich, sollte jedoch frühzeitig beantragt werden. Bei verspäteter Abgabe drohen Zwangsgelder und Schätzungen durch das Finanzamt. Diese fallen häufig nachteilig aus, da wertmindernde Faktoren unberücksichtigt bleiben.
Besonderheiten bei Erbengemeinschaften
Bei mehreren Erben erfolgt die Feststellung für die gesamte Immobilie einheitlich. Der Feststellungsbescheid muss alle Beteiligten der Erbengemeinschaft namentlich aufführen und deren jeweilige Anteile genau bestimmen. Die Erbengemeinschaft kann entweder gemeinsam vorgehen oder einen Vertreter bestimmen. Alle relevanten Entscheidungen sollten jedoch gemeinschaftlich getroffen werden.
Bewertungsverfahren: Wie das Finanzamt den Grundbesitzwert ermittelt
Das Finanzamt wendet je nach Immobilientyp unterschiedliche Bewertungsverfahren an. Die Grundbesitzwert ermitteln erfolgt nach standardisierten Methoden, die jedoch nicht immer marktgerechte Ergebnisse liefern.
Vergleichswertverfahren für Wohnimmobilien
Das Vergleichswertverfahren gilt grundsätzlich für:
- Ein- und Zweifamilienhäuser
- Wohnungseigentum und Teileigentum
- Reihenhäuser und Doppelhaushälften
Funktionsweise: Soweit verfügbar, werden Vergleichswerte ähnlicher Immobilien herangezogen. Diese stammen idealerweise von Gutachterausschüssen oder aktuellen Verkäufen. In der Praxis steht das Problem im Raum, dass geeignete Vergleichswerte selten zur Verfügung stehen. Daher wird häufig das Sachwertverfahren angewendet, was oft zu überhöhten Bewertungen führt.
Ertragswertverfahren für Renditeobjekte
Anwendungsbereich des Ertragswertverfahrens:
- Mietwohngrundstücke
- Geschäftsgrundstücke
- Gemischt genutzte Immobilien
Erforderliche Werte für die Berechnung:
- Grundstücksgröße und Bodenrichtwert
- Ortsübliche Jahresmiete
- Bewirtschaftungskosten
- Liegenschaftszinssatz
- Vervielfältiger nach Restnutzungsdauer
- Weitere Umstände
Berechnungslogik: Der Bodenwert wird separat ermittelt und mit dem kapitalisierten Gebäudeertrag addiert. Als Mindestwert gilt stets der reine Bodenwert.
Sachwertverfahren als Auffangmethode
Das Sachwertverfahren kommt zur Anwendung bei:
- Immobilien ohne verfügbare Vergleichswerte
- Sonstig bebaute Grundstücke
- Spezialimmobilien ohne Ertragscharakter
Wesentliche Berechnungsgrundlagen:
- Bruttogrundfläche nach Anlage 24 BewG
- Regelherstellungskosten pro Quadratmeter
- Alterswertminderung nach Gesamtnutzungsdauer
- Regionale Wertzahlen nach Anlage 25 BewG
Mindestbewertung: Die Restnutzungsdauer eines noch nutzbaren Gebäudes beträgt nach § 185 Absatz 3 Satz 6 BewG vorbehaltlich
einer bestehenden Abbruchverpflichtung mindestens 30 % der Gesamtnutzungsdauer.
Bewertung unbebauter Grundstücke
Der Grundbesitzwert bei unbebautem Grundstück folgt einer einfachen Formel: Grundstücksfläche multipliziert mit dem aktuellen Bodenrichtwert der Region. Bodenrichtwerte werden alle zwei Jahre von örtlichen Gutachterausschüssen festgelegt und sind über das BORIS-System online abrufbar.
Grundbesitzwert vs. Marktwert: Warum Finanzamtswerte oft zu hoch sind
Die systematische Überbewertung von Immobilien durch Finanzämter ist ein weit verbreitetes Phänomen, das erhebliche steuerliche Konsequenzen für Erben und Beschenkte nach sich zieht.
Ursachen der Überbewertung
Standardisierte Verfahren ohne Individualbetrachtung: Das Finanzamt führt keine Ortsbesichtigungen durch und berücksichtigt keine objektspezifischen Besonderheiten. Baumängel, ungünstige Grundrisse oder lokale Marktbesonderheiten bleiben somit unbeachtet. Pauschale Bewertungsansätze: Die verwendeten Tabellenwerte und Pauschalierungen orientieren sich an Durchschnittswerten und können die Vielfalt individueller Immobiliensituationen daher nicht erfassen. Zeitverzögerung bei Datenaktualisierung: Die dem Bewertungsgesetz zugrundeliegenden Werte werden nicht kontinuierlich an Marktentwicklungen angepasst.
Auswirkungen der BewG-Reform 2023
Mit den seit 1. Januar 2023 gültigen Neuregelungen des Bewertungsgesetzes sind die ermittelten Werte nochmals deutlich gestiegen:
- Ertragswertverfahren: Erhöhungen um bis zu 30% durch angepasste Liegenschaftszinssätze
- Sachwertverfahren: Höhere Regelherstellungskosten und modifizierte Wertzahlen
- Regionale Unterschiede: Besonders in Ballungsräumen zeigen sich überdurchschnittliche Steigerungen
Konkrete Folgen für Steuerpflichtige
Eine Überbewertung um 100.000 Euro kann je nach Steuerklasse zu Mehrbelastungen zwischen 7.000 und 50.000 Euro führen. Bei größeren Immobilienvermögen potenzieren sich diese Effekte entsprechend.
Einspruch und Gegengutachten: So senken Sie Ihre Erbschaftssteuer
Gegen überhöhte Grundbesitzwerte können Sie erfolgreich vorgehen. Ein strukturiertes Vorgehen erhöht die Erfolgsaussichten erheblich.
Einspruchsverfahren und Fristen
Einspruchsfrist: Nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheids haben Sie einen Monat Zeit für einen schriftlichen Einspruch. Diese Frist ist unbedingt einzuhalten, da nachträgliche Korrekturen schwierig sind. Formale Anforderungen: Der Einspruch muss schriftlich erfolgen und die konkret beanstandeten Punkte benennen. Eine pauschale Ablehnung reicht nicht aus.
Verkehrswertgutachten als Grundlage
Ein qualifiziertes Verkehrswertgutachten bildet das Fundament eines erfolgreichen Einspruchs. Folgende Kriterien sind entscheidend:
Gutachterqualifikation: Beauftragen Sie ausschließlich zertifizierte Gutachter nach DIN EN ISO/IEC 17024, wobei der Zertifizierungsträger durch die DAkks überwacht werden sollte.
Gutachteninhalt: Das Gutachten muss alle drei normierten Wertermittlungsverfahren berücksichtigen und eine fundierte Marktanalyse enthalten.
Objektspezifische Faktoren: Besondere Aufmerksamkeit verdienen wertmindernde Umstände wie Baumängel, Lärmbelastungen oder ungünstige Marktlagen.
Erfolgsaussichten und rechtliche Anerkennung
Professionell erstellte Gegengutachten werden von Finanzämtern und Gerichten grundsätzlich anerkannt, sofern sie methodisch einwandfrei sind. Die Erfolgsquote Ist bei berechtigten Einsprüchen sehr hoch.
Rechtliche Grundlage: § 198 BewG ermöglicht ausdrücklich die Berücksichtigung niedrigerer gemeiner Werte, wenn diese durch Gutachten nachgewiesen werden.
Kosten-Nutzen-Analyse
In den meisten Fällen amortisiert sich die Investition in ein Gegengutachten deutlich. Bei einer Wertminderung von 200.000 Euro können Steuerersparnisse von bis zu 60.000 € erzielt werden.
Zusätzlicher Nutzen: Ein qualifiziertes Gutachten bietet auch bei späteren Transaktionen oder erbrechtlichen Auseinandersetzungen eine wertvolle Orientierungshilfe.
Auswirkungen auf die Erbschaftssteuer: Freibeträge und Steuersätze
Der ermittelte Grundbesitzwert bildet die Basis für die Erbschaftssteuerberechnung. Verstehen Sie die Mechanismen, um Optimierungspotentiale zu erkennen.
Persönliche Freibeträge nach Verwandtschaftsgrad
Die Höhe der Freibeträge hängt vom Verwandtschaftsverhältnis ab: Steuerklasse I:
- Ehepartner und Lebenspartner: 500.000 Euro
- Kinder und Stiefkinder: 400.000 Euro
- Enkelkinder: 200.000 Euro
- Andere Steuerklasse I: 100.000 Euro
Steuerklasse II und III: Deutlich niedrigere Freibeträge von 20.000 Euro bzw. nur steuerliche Mindestgrenze.
Steuersätze in den verschiedenen Steuerklassen
Nach Abzug der Freibeträge erfolgt die Besteuerung nach progressiven Sätzen: Steuerklasse I: 7% bis 30% je nach Vermögenswert Steuerklasse II: 15% bis 43% bei entfernteren Verwandten Steuerklasse III: 30% bis 50% bei Nichtverwandten
Praktische Berechnungsbeispiele
Beispiel 1 – Einfamilienhaus an Kind:
- Grundbesitzwert: 800.000 Euro
- Freibetrag: 400.000 Euro
- Zu versteuern: 400.000 Euro
- Steuersatz: 15%
- Erbschaftssteuer: 60.000 Euro
Bei Reduzierung um 200.000 Euro durch Gutachten:
- Zu versteuern: 200.000 Euro
- Erbschaftssteuer: 30.000 Euro
- Ersparnis: 30.000 Euro
Professionelle Unterstützung: Wann Sie einen Experten brauchen
Komplexe Bewertungsfälle erfordern professionelle Expertise. Die richtige Auswahl der Berater entscheidet über den Erfolg.
Situationen für Expertenberatung
Komplexe Immobilienstrukturen: Gemischt genutzte Objekte, Betriebsimmobilien oder Sonderimmobilien erfordern spezialisierte Bewertungskompetenz. Hohe Vermögenswerte: Bei Grundbesitzwerten über 1 Million Euro rechtfertigt sich eine professionelle Begleitung fast immer. Erbengemeinschaften: Interessenskonflikte und rechtliche Komplexität machen neutrale Beratung unverzichtbar.
Auswahl qualifizierter Sachverständiger
Öffentliche Bestellung: Bevorzugen Sie zertifizierte Sachverständige gem. DIN EN ISO/IEC 17024 mit entsprechender Fachrichtung, dies erhöht die Akzeptanz der eingereichten Gutachten bei der Finanzverwaltung extrem.
Spezialisierung: Achten Sie auf nachgewiesene Erfahrung im Bereich der steuerlichen Immobilienbewertung.
Steuerberatung und rechtlicher Beistand
Steuerberater: Für komplexe Gestaltungen und strategische Planung ist steuerliche Beratung unverzichtbar. Rechtsanwälte: Bei Streitigkeiten oder komplexen Rechtsfragen bieten spezialisierte Anwälte wertvollen Beistand. Koordination: Eine abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Gutachter, Steuerberater und Anwalt optimiert das Ergebnis.
Häufig gestellte Fragen zum Grundbesitzwert
Wann muss ich eine Feststellungserklärung zum Grundbesitzwert abgeben?
Eine Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts müssen Sie nur dann abgeben, wenn das Finanzamt Sie dazu ausdrücklich auffordert. Dies erfolgt automatisch bei Erbschaften oder Schenkungen von Immobilien, wenn eine steuerliche Relevanz vermutet wird. Das entsprechende Formular wird Ihnen vom zuständigen Finanzamt zugesandt, üblicherweise einige Wochen nach Kenntnis der Übertragung. Sie müssen also nicht selbst aktiv werden, sondern können die Aufforderung abwarten. Bei kleineren Vermögenswerten unterhalb der relevanten Freibeträge unterbleibt die Aufforderung häufig.
Wie lange dauert die Ermittlung des Grundbesitzwerts durch das Finanzamt?
Die Bearbeitungsdauer für die Feststellung des Grundbesitzwerts variiert je nach Arbeitsbelastung des Finanzamts und Komplexität des Falls erheblich. Nach Einreichung der vollständigen Unterlagen sollten Sie mit einer Bearbeitungszeit von drei bis sechs Monaten bis zum Erhalt des Feststellungsbescheids rechnen. In komplexen Fällen oder bei Rückfragen kann sich diese auf bis zu einem Jahr verlängern. Unvollständige Unterlagen führen zu Verzögerungen und Nachforderungen. Während der Bearbeitungszeit ruht das Erbschaftssteuerverfahren. Eine Beschleunigung ist durch vollständige und präzise Angaben sowie durch eine frühzeitige Kommunikation möglich.
Was passiert, wenn ich den Feststellungsbescheid nicht rechtzeitig bearbeite?
Bei Nichtabgabe der angeforderten Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts innerhalb der gesetzten Frist drohen erhebliche Konsequenzen. Das Finanzamt kann zunächst Zwangsgelder verhängen und bei fortgesetzter Verweigerung eine Schätzung des Grundbesitzwerts vornehmen. Diese Schätzungen fallen regelmäßig nachteilig aus, da wertmindernde Faktoren unberücksichtigt bleiben und Sicherheitszuschläge angesetzt werden. Zusätzlich können Säumniszuschläge und Verspätungszuschläge von 20% auf die Steuerschuld anfallen. Die Rechtsmittel gegen Schätzungsbescheide sind begrenzt, sodass eine fristgerechte Bearbeitung unbedingt empfehlenswert ist. Bei berechtigten Hinderungsgründen sollten Sie frühzeitig eine Fristverlängerung beantragen.
Kann der Grundbesitzwert niedriger als der Marktwert sein?
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle liegt der vom Finanzamt ermittelte Grundbesitzwert über dem tatsächlichen Marktwert der Immobilie. Dies resultiert aus den standardisierten Bewertungsverfahren, bei denen objektspezifische Besonderheiten nicht berücksichtigt werden. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann der steuerliche Wert niedriger ausfallen, beispielsweise bei stark steigenden Immobilienpreisen zwischen dem Bewertungsstichtag und der tatsächlichen Ermittlung. Besonders in dynamischen Märkten mit rasanten Preisentwicklungen können die dem Bewertungsgesetz zugrunde liegenden Daten bereits veraltet sein. Solche Situationen sind jedoch die Ausnahme und rechtfertigen eine kritische Prüfung des Bescheids. Ein Rechner für den Grundbesitzwert kann eine erste Orientierung bieten, ersetzt jedoch keine professionelle Bewertung.
Welche Kosten entstehen bei einem Gegengutachten?
Die Kosten für ein qualifiziertes Verkehrswertgutachten variieren je nach Komplexität der Immobilie und regionalem Marktumfeld erheblich. Für ein Einfamilienhaus müssen Sie mit Kosten im mittleren vierstelligen Bereich rechnen, während komplexe Gewerbeimmobilien entsprechend höhere Gutachterkosten verursachen. In den meisten Fällen amortisiert sich diese Investition jedoch durch die erzielte Steuerersparnis. Bei einer Wertminderung um 200.000 Euro können je nach Steuerklasse Ersparnisse zwischen 14.000 und 100.000 Euro erzielt werden. Ein professionelles Gutachten bietet zudem für spätere Transaktionen oder erbrechtliche Auseinandersetzungen wertvolle Orientierung und rechtliche Sicherheit.
Muss jeder Miterbe einen eigenen Einspruch einlegen?
Bei Erbengemeinschaften ist die rechtliche Situation eindeutig geregelt: Es reicht ein gemeinsamer Einspruch gegen den Feststellungsbescheid aus, da die Feststellung des Grundbesitzwerts einheitlich für die gesamte Immobilie erfolgt. Alle Miterben sollten jedoch über das geplante Vorgehen informiert sein und dem Einspruch zustimmen, da sie alle von der Entscheidung betroffen sind. Die Erbengemeinschaft kann einen Vertreter bestimmen oder gemeinsam handeln. Wichtig ist die einvernehmliche Beauftragung eines Gutachters und die gemeinsame Strategie. Separate Einsprüche einzelner Miterben sind weder erforderlich noch sinnvoll und können zu rechtlichen Komplikationen führen. Eine frühzeitige Abstimmung innerhalb der Erbengemeinschaft verhindert spätere Konflikte und optimiert die Erfolgsaussichten.
Welche Unterlagen benötige ich für die Feststellungserklärung?
Für die Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts benötigen Sie einen umfangreichen Satz an Dokumenten. Grundlegend sind der aktuelle Grundbuchauszug, Flurkarten und Baupläne sowie detaillierte Flächenberechnungen nach Wohnflächen- oder DIN-Normen. Bei vermieteten Objekten sind zudem alle Mietverträge, Betriebskostenabrechnungen und Mietspiegeleinordnungen erforderlich. Angaben zu Modernisierungen, Renovierungen und baulichen Besonderheiten müssen durch Rechnungen und Genehmigungen belegt werden. Zusätzlich benötigt das Finanzamt ggf. Informationen über die Erschließung, ein Bodengutachten und eventuelle Altlasten. Je vollständiger die Unterlagen sind, desto schneller wird die Bearbeitung durchgeführt und desto weniger Rückfragen entstehen. Eine systematische Dokumentation erleichtert zudem spätere Einspruchsverfahren und Gutachterbeauftragungen.
Wie wirkt sich ein niedrigerer Grundbesitzwert auf die Erbschaftssteuer aus?
Eine Reduzierung des Grundbesitzwerts um einen Euro führt zu einer direkten Minderung der Erbschaftssteuer um den entsprechenden Steuersatz. Die Höhe der Ersparnis hängt von der Steuerklasse und dem Wert des Vermögens ab. In Steuerklasse I liegen die Sätze zwischen 7 % und 30 %, in den anderen Klassen sind sie entsprechend höher. Bei einer Wertreduzierung um 100.000 Euro können somit Steuerersparnisse zwischen 7.000 und 50.000 Euro entstehen. Diese Berechnung erfolgt jedoch erst nach Abzug der persönlichen Freibeträge. Besonders bei größeren Vermögenswerten oder ungünstigen Steuerklassen potenzieren sich die Auswirkungen erheblich. Die Investition in ein Gegengutachten rechnet sich daher in den meisten Fällen bereits bei moderaten Wertkorrekturen.
Gilt der Grundbesitzwert auch für andere Steuern?
Der nach dem Bewertungsgesetz ermittelte Grundbesitzwert ist vor allem für die Erbschaft- und Schenkungssteuer sowie für verwandte Bereiche, wie die Schenkungssteuer bei vorweggenommener Erbfolge, relevant. Für andere Steuerarten gelten separate Bewertungsverfahren und Wertansätze. Die ab 2025 geltende neue Grundsteuer basiert auf völlig anderen Bewertungsgrundlagen und -verfahren. Auch für die Einkommensteuer bei Immobilienveräußerungen oder -vermietung sind andere Wertansätze maßgeblich. Gewerbesteuerliche Aspekte folgen ebenfalls eigenen Regeln. Eine Übertragbarkeit der Werte zwischen den verschiedenen Steuerarten ist daher nicht möglich. Jede Steuerart erfordert eine eigenständige Bewertung nach den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben.
Was ist der Unterschied zwischen Grundbesitzwert und Einheitswert?
Der Einheitswert war ein veraltetes Bewertungskonzept, das schrittweise durch den modernen Grundbesitzwert ersetzt wurde. Einheitswerte basierten auf Wertverhältnissen von 1964 (West) bzw. 1935 (Ost) und spiegelten die Realität nicht mehr wider. Der Grundbesitzwert orientiert sich dagegen an aktuellen Marktwerten und wird nach modernen, wissenschaftlich fundierten Bewertungsverfahren ermittelt. Die Bewertungsstichtage entsprechen den tatsächlichen Übertragungszeitpunkten und nicht historischen Daten. Während Einheitswerte pauschal und undifferenziert waren, berücksichtigt das neue System verschiedene Immobilientypen und regionale Besonderheiten. Der Übergang ist mittlerweile für die Erbschaftssteuer vollständig abgeschlossen. Einheitswerte haben heute nur noch historische Bedeutung und finden keine Anwendung mehr.